London 2012: Alexander Steinbrenner, Wolfsburger Chiropraktor, im Interview. Der Wolfsburger Chiropraktor Alexander Steinbrenner arbeitet mit vielen großen Vereinen aus der Region, wie dem VFL Wolfsburg und Eintracht Braunschweig zusammen und war zweimal Einsatzleiter bei den World Games. Bei seinem Studium in den USA lernte er die Chiropraktik beim Profi-Football und Rugby kennen. Dieses Jahr wird er zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen in der Poliklinik behandeln.
inSport Was ist das Besondere an der Chiropraktik im Sportbereich?
Steinbrenner Es geht im Leistungssport immer darum, das letzte Stück Optimierung zu finden, es geht um die letzte halbe Sekunde. Eine Grundvoraussetzung dafür ist die optimale Funktion aller Körperteile, hierbei kann die Chiropraktik unterstützend helfen und somit die Leistungsfähigkeit des Athleten verbessern. Die andere Seite ist die akute Hilfe, wenn es zu Verletzungen kommt: Akute Probleme müssen im Sport immer so schnell wie möglich gelöst werden. Besonders, wenn Gelenke betroffen sind, bietet die moderne Chiropraktik einen effektive Methode. Immer mehr Sportler konsultieren Chiropraktoren aber vor allem präventiv, um gewisse Dinge schon von vornherein zu vermeiden.
inSport Wie kam es zu Ihrem Einsatz bei den Olympischen Spielen?
Steinbrenner 2005 fanden die World Games in Duisburg statt. Bei den World Games sind alle Sportarten, die olympisch anerkannt sind, aber nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Das Internationale Olympische Kmitee hat die Schirmherrschaft und auch sie finden alle vier Jahre statt. Da die Chiropraktik in Deutschland nicht reguliert ist, ist man damals auf mich zugekommen: Man möchte, dass alle Sportler die gleichen Möglichkeiten haben. Und da gehört die Betreuung durch Chiropraktoren im internationalen Sport seit Jahren einfach dazu. Also hat man mich damals kontaktiert, weil man wollte, dass die Sportler in Deutschland fachkundig betreut werden. Ich habe daraufhin die Betreuung der Spiele durch 26 qualifizierte Chiropraktoren koordiniert und geleitet. Und so ist letztlich auch der Kontakt zustande gekommen, so dass ich nun auch in London die Athleten mit meiner Arbeit unterstützen kann. Mein Einsatzgebiet ist die Olympische Poliklinik, die sich direkt im Olympischen Dorf befindet.
inSport Welche Sportarten sind denn besonders verletzungsgefährdet?
Steinbrenner Das ist so einfach sicherlich nicht zu beantworten, da jede Sportart auf einem so hohen Wettkampflevel eine extreme Belastung für den Körper darstellt. Man kann aber grundlegend sagen, dass Wettkampfsportarten, die Körperkontakt mit sich bringen, deutlich verletzungsanfälliger sind. Top-Athleten sind generell sehr feinfühlig, was ihren Körper angeht. Im Unterschied zu einigen Team-Sportarten, wo ich konstant über eine Saison meine Leistung abliefern muss, haben viele Sportlerinnen und Sportler in Einzeldisziplinen genau auf dieses Ereignis in ihrem Leben hin trainiert, um genau jetzt das Maximum ihres Körpers abzurufen. Sie alle werden versuchen an die körperlichen Belastungsgrenzen und zum Teil eben genau ein Stückchen darüber hinaus zu gehen. Dies birgt leider oft ein sehr großes Verletzungsrisiko.
inSport Was war eines der außergewöhnlichsten Ereignisse während Ihrer Tätigkeit?
Steinbrenner Ich habe bei den World Games einen Karateka betreut, der auf dem Flug zu den Spielen im Flieger eingeschlafen ist und sich dabei den Nacken verdreht hat. Da ich gerade die Aufsicht hatte, kam er zu mir. Ich habe zwei Tage mit ihm gearbeitet und es wurde ganz langsam besser, so dass er sein Trainingsprogramm absolvieren konnte. Er startete nicht beschwerdefrei in den Wettkampf und schaffte die Vorrunde gerade so. Wir haben weiter zusammen gearbeitet und es wurde immer besser. Tatsächlich hat er die Goldmedaille geholt und das erste, was er gemacht hat: Er ist von der Matte gesprungen und hat mir die Goldmedaille um den Hals gehängt. Das waren Emotionen, die ich nicht vergessen werde. Bei den World Games 2005 war eine der Disziplinen Casting - man wirft mit einer Angel und Gewichten auf eine Zielscheibe. Auch hierbei hatte sich jemand den Rücken verdreht und kam zu mir - man kann mitunter nach den Spielen schon ein bisschen über die ein oder andere Geschichte schmunzeln.
inSport Trotz ,,Dabei sein ist alles": Wie frustrierend sind Niederlagen?
Steinbrenner Beim Sport sind immer Emotionen im Spiel. Das kann sich jeder am Wochenende im Stadion anschauen. Und wer mag gerne Niederlagen? Für viele sind die Olympischen Spiele das Ereignis ihres Lebens. Wenn irgendwas dazwischen kommt, bricht die ganze Welt zusammen. Das sind mitunter sehr junge Menschen, zum Teil aus Regionen, bei denen nicht nur die sportliche Karriere davon abhängt, sondern ihr gesamtes Leben, da sie nur durch Sport Förderungen genießen. Ich bin dann dafür da, um ihnen zu helfen.
inSport Welche Chancen räumen Sie dem deutschen Team ein?
Steinbrenner Das deutsche Team hat im Medaillenspiegel immer ganz gut ausgesehen. Wir können uns als Nation also sicherlich wieder auf viele Medaillen freuen, weil wir in verschiedenen Bereichen richtig gute Leute haben.
inSport Stichwort ,,München 72" - wie politisch sind die Spiele?
Steinbrenner Großereignisse sind immer hochpolitisch, wie man auch gerade an der Fußball-EM sehen konnte. Die Sicherheitsvorkehrungen für die Spiele sind heute sehr hoch: Selbst ich durchlaufe ausführliche Backgroundchecks. Es wird alles überprüft, angefangen beim polizeilichen Führungszeugnis, und über die Akkreditierungen ist genau geregelt, welche Bereiche man wann betreten darf.